Sep 16, 2020
In dieser Episode geht es um die Notwendigkeit der Trotzphase.
Ja genau, du hörst richtig! Die Trotzphase ist so wichtig und nachdem du meine Erklärung dazu gehört hast, wirst du diese Phase bei deinem Kind viel besser akzeptieren können. Ja, vielleicht sogar stolz sein auf dein Kind, wenn es gerade mittendrin ist in dieser Phase.
Die letzte Episode – Nr. 137 – hat aufgezeigt, wie Programme im
Unterbewusstsein entstehen und du hast gehört, dass die Kinder am
Anfang von ihrem Leben Programme und Verhaltensmuster ihrer Eltern
übernehmen.
Wenn ich von den Eltern spreche, dann meine ich immer auch die
nahen Bezugspersonen, wenn nicht die leiblichen Eltern die
Erziehungsaufgabe der Kinder ausführen. Es geht allgemein um die
Menschen, welche die meiste Zeit um das Kind herum sind und von
ihrer Energie her am tiefsten mit ihnen verbunden sind.
Also, jetzt wissen wir, dass die Kinder anfänglich die Verhaltensmuster ihrer Eltern leben. Das ist gut so, das ermöglicht ihnen einen einfacheren Start ins Leben.
Nun beginnt das Kind in seinen ersten Lebensjahren, seine
eigenen Erfahrungen zu sammeln. Diese können identisch sein mit den
Erfahrungen der Eltern. Doch sie können sich auch stark davon
unterscheiden.
Nehmen wir wieder das Beispiel der Spinnen-Phobie. Das Kind
reagiert anfangs ängstlich bis panisch auf Spinnen. Denn so wurde
es in seinem Unterbewusstsein verankert, da die Mutter unter
Spinnen-Phobie leidet.
Nun hat das Kind mehrmals erlebt, wie Erwachsene gelassen auf eine
Spinne reagieren. Anfangs ist dieses Verhalten für das Kind fremd
und nicht zu erklären. Mit der Wiederholung lernt es jedoch, dass
auch diese Menschen im Recht sind, denn die Spinnen tuen ihnen
nichts zu leide.
So bildet sich ein neuer Weg / ein neues Verhaltensmuster im
Unterbewusstsein. Das Kind besitzt nun zwei Varianten, wie es auf
eine Spinne reagieren kann.
Ähnlich verhält es sich mit dem Essen von einem speziellen Gemüse.
Sagen wir mal "Brokkoli". Das Kind lernt von Anfang an von den
Eltern, das Brokkoli lecker ist und dazu gehört. Also isst es brav
seinen ersten Brokkoli, welcher dem Brei zugemischt wurde. (Das
Wissen, das Brokkoli lecker ist, wurde ja nicht direkt vorgelebt,
sondern im Unterbewusstsein so verankert. Also hat das Kind noch
keinen Widerstand in sich).
Nun erlebt das Kind irgend in einer Situation, dass Brokkoli bitter
schmeckt. Es macht also seine eigene, neue Erfahrung. Diese wird
nun auch so abgespeichert.
Das Unterbewusstsein hat also zwei Möglichkeiten verankert, wie man
auf Brokkoli reagieren kann.
Und jetzt kommen wir zum Thema zurück. Was passiert in der
Trotzphase?
Die Trotzphase wird dann aktiviert, wenn das Unterbewusstsein
genug doppelte Wege verankert hat. Wenn das Kind genügend eigene
Erfahrungen gesammelt hat und dadurch mehrere Verhaltensmuster
doppelt in sich trägt. Doppelt, da es einmal von den Eltern ist,
und einmal seine eigenen, neuen.
Und das ist eine Situation, welche für das Unterbewusstsein nicht
tragbar ist. Denn das Unterbewusstsein wählt immer den einfachen
Weg – und der ist ohne eine Auswahlmöglichkeit. Es braucht einen
Weg – eine Lösung – eine Reaktion.
Jetzt kommt die Trotzphase. Das Kind wehrt sich gegen alles, was es
bis jetzt gekannt hat. Es trennt sich dadurch von allen Mustern und
Verhaltensweisen, welches in sich trägt. Es finden von einem Moment
auf den Anderen alles doof. Es mag seine Lieblingsspeise nicht mehr
essen, es will keine Bücher mehr anschauen, Brokkoli ist super
doof, das Abendritual wird ignoriert und der ganze Alltag wird auf
den Kopf gestellt.
WARUM?
Das Kind weiss nicht mehr, was aus seinem eigenen System kommt, und
was von den Eltern übernommen wurde. Also muss es sich zuerst von
allem trennen, um dann seinen ganz einen Weg zu finden.
Und genauso ist es zu beobachten.
In der Trotzphase ist alles doof.
Danach werden gewisse Dinge wieder so übernommen, wie es die Eltern
handhaben, und gewisse Dinge werden eigen aus dem System des Kindes
heraus gemacht. Es entsteht eine in sich stimmige Mischung aus
beiden Erfahrungswerten.
Doch um diesen Prozess zuzulassen, muss das Kind sich zuerst von
allen Fremd-Einflüssen befreien.
Kinder, welche mehr Prägungen von den Eltern übernommen haben,
erleben diese Ablösung in der Regel heftiger. Das heisst, die
Trotzphase ist für die Eltern anstrengender.
Kinder hingegen, welche von Anfang an mehr eigenen Erfahrungen
machen durften, mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse achten konnten,
brauchen diese Phase nicht so stark durchzumachen. Da sie sich und
ihre Bedürfnisse bereits gut kennen und leben dürfen.
Also, was genau ist jetzt das Gute an der Trotzphase?
Nenne doch diese Phase mal "Selbstfindungsphase". Nun tönt es
bereits positiver.
Dein Kind findet sich selber! Es erkennt seine Bedürfnisse und
wählt seinen eigenen Weg, auf Ereignisse zu reagieren. Das macht
seine Persönlichkeit aus! Das ist toll!
Nun entsteht ein eigenständiger Mensch, mit einer eigenen Meinung
und eigenen Ansichten.
Und ist es nicht das, was wir für unsere Kinder wollen?